Fit für die Zukunft
Als tragende Säule der deutschen, europäischen und außereuropäischen Luftwaffen gilt der Eurofighter als eines der führenden Mehrzweckkampfflugzeuge. Mit integrierten Sensorlösungen von HENSOLDT geht er den nächsten Entwicklungsschritt für die kommenden Jahrzehnte. Das gilt auch für HENSOLDT, denn das Unternehmen verantwortet in seinem bisher größten Auftrag erstmals das Design des gesamten Radarsystems.
„Long Term Evolution“ – kurz LTE – lautet das Programm, das den Eurofighter bis weit ins 21. Jahrhundert hinein fit für die Zukunft machen soll. Integrierte Sensorlösungen werden dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die intelligente Vernetzung von Elektronik und Sensorik erhöht nicht nur die Leistungsfähigkeit im Vergleich zu bisherigen Systemen, sie wird mittelfristig auch völlig neue Einsatzszenarien ermöglichen.
HENSOLDT, schon jetzt Technologiepartner für zahlreiche Sensorik-, Optronik-, Navigations- und Selbstschutz-Komponenten des Eurofighter, übernimmt dabei künftig deutlich erweiterte Aufgaben. Für das neue, elektronisch schwenkbare Mk1 Radar hat das Unternehmen gemeinsam mit dem Industriepartner Indra erstmals die Verantwortung für das gesamte System-Design und hierfür auch die federführende Rolle in dem spanisch-deutschen Industriekonsortium übernommen. Auch die Perspektiven für das zukünftige Selbstschutzsystem werden derzeit im Auftrag des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) von HENSOLDT im Rahmen einer mehrjährigen Untersuchung analysiert. Um den Bedrohungen von morgen – auch durch neue vernetzte Flugabwehrsysteme, hochagile Radare oder aus dem Cyber-Space – gewachsen zu sein, sollten alle Systeme möglichst vernetzt zusammenarbeiten, was derzeit ebenfalls in begleitenden Studien untersucht wird.
In dem neuen „Eurofighter Common Radar System“ (ECRS) Mk1 stecken dabei mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung und Entwicklungsarbeit der Eurofighter-Partnerländer. Als konsequente Weiterentwicklung der Mk0-Generation vereint das neue, elektronisch schwenkbare Radar gerade im Vergleich zum bisher mehrheitlich eingesetzten mechanischen CAPTOR-M zahlreiche Vorteile in der Überwachung, Bedienung, Zielerfassung und -verfolgung. Sein modularer Aufbau, der leistungsstarke Mehrkanalempfänger sowie die zukunftsweisende Architektur verringern den Reparatur- und Wartungsaufwand und ermöglichen zudem ein schrittweises Upgrade von Hard- und Software ausgehend von der Mk0-Generation.
HENSOLDT übernimmt auch die Produktion wesentlicher Komponenten des neuen Radar-Systems – unter anderem voraussichtlich mehr als 250.000 Sende-/Empfangsmodule (TRM) für die zukünftigen Mk1-Antennen sowie die Mehrkanalempfänger, das Herz des neuen Radars. Damit geht dieser mit insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro Investitionsvolumen bisher größte Auftrag der Unternehmensgeschichte einher mit einer Erweiterung der Personal- und Produktionskapazitäten, insbesondere am hochspezialisierten Standort Ulm. Auf bis zu 400 Mitarbeitende soll das Team hier in den kommenden Jahren wachsen. Insgesamt plant HENSOLDT die Auslieferung von rund 150 Mk1 Radaren allein für die Eurofighter-Flotte der deutschen Luftwaffe.
Für diese Flotte ebnen die innovativen Entwicklungen von HENSOLDT den Weg in die Zukunft. Ausgerichtet auf neue Anforderungen und mit der dazu notwendigen Datenanbindung wird der Eurofighter zu einem wichtigen Baustein des „Future Combat Air System“, kurz FCAS. HENSOLDT kann im Rahmen der Eurofighter „Long Term Evolution“ weitere technologische Kompetenz einbringen und sich so entlang der strategischen Ausrichtung des Unternehmens mit Fokus auf integrierte Systemlösungen auch für FCAS bestens positionieren.
Auge des „Typhoon“
Neben den Maschinen der nächsten Eurofighter-Tranche „Quadriga“ werden auch viele aktuelle, derzeit noch mit dem mechanischen Radar CAPTOR-M ausgestattete Eurofighter in den kommenden Jahren im Rahmen von Hard- und Software-Updates das neue MK1 Radar von HENSOLDT erhalten. Anstelle einer mechanisch schwenkbaren verfügt es über eine elektronisch schwenkbare Antenne mit mehr als 1.500 strahlenden Elementen. Die zugrundeliegende AESA-Technologie („Active Electronically Scanned Array“) des ECRS Mk1 vereint dabei eine ultrahochauflösende Überwachung des gesamten Luftraums mit einer schnelleren automatischen Erfassung und Verfolgung von deutlich mehr Zielen und einer verbesserten Zielführung von Lenkflugkörpern. Gleichzeitig bietet es eine erhöhte Resistenz gegen Störversuche und verbessert damit die Überlebensfähigkeit des Eurofighters selbst in hochintensiven Konfliktsituationen.
Integrierte Lebensversicherung
Selbstschutzsysteme warnen bereits, wenn der Jet von einem Radar erfasst wird, erkennen feindliche Gefahren und können Gegenmaßnahmen einleiten. Dazu erfasst und klassifiziert das EuroDASS (DASS; „Defensive Aids Sub System“) PRAETORIAN sämtliche Radarsignaturen mit Hilfe der spezifischen nationalen Missionsdaten. Je nach Szenario werden dem Piloten Bedrohungen wie Flugabwehrsysteme oder Raketen als Teil des Lagebildes entsprechend aufbereitet und entweder manuell oder vollautomatisiert mit Gegenmaßnahmen beantwortet. Dies reicht von einfachen elektronischen Störtechniken über den Abwurf von Täuschkörpern bis hin zu komplexen Sequenzen aus 3D-Flugmanövern und Falschzieltechniken. Um diese essenziellen Schutzfunktionen weiter zu optimieren, arbeitet HENSOLDT zusammen mit Konsortialpartnern an dem neuen Selbstschutzsystem PRAETORIAN eVolution. Dessen Technologien, modulare Systemarchitektur und tiefgreifende Integration mit dem elektronischen Mk1 Radar garantieren den Piloten der deutschen und spanischen Flotte stets einen wirksamen Selbstschutz – von der Einrüstung bis zur Außerdienststellung des Eurofighters.
Erste Hilfe vor Ort
Wenn ein Eurofighter wegen eines technischen Problems des Radars oder Selbstschutzsystems am Boden bleibt, muss es schnell gehen. Darum unterstützen hochspezialisierte Experten von HENSOLDT in der „Technical Diagnostic Cell“ die deutsche Luftwaffe vor Ort an ihren Eurofighter-Geschwader-Standorten in Neuburg an der Donau sowie in Laage in der Nähe von Rostock bei Diagnostik, Wartung und Reparatur. Dank ihrer Erfahrung aus langjähriger enger Zusammenarbeit mit der Luftwaffe und den Diagnose-Teams anderer Eurofighter-Nationen bringen sie die Jets in kürzester Zeit wieder in die Luft. Das von HENSOLDT entwickelte und modular erweiterbare Diagnose-Equipment RATE („Radar Automatic Test Equipment“), das weltweit auch von anderen Eurofighter-Nationen genutzt wird, dient dabei neben der Fehlersuche der Rezertifizierung für den nächsten Flugeinsatz der Maschinen.
Intelligenter Helm
Das von HENSOLDT Südafrika entwickelte „Helm Tracking System“ (HTS) erkennt im Eurofighter in Echtzeit, wohin der Pilot gerade sieht. So kann er allein durch Blickkontakt zielen oder Ziele festlegen. Alle eingespielten Informationen wandern automatisch mit der Blickrichtung mit. Auf Wunsch verfügt der Helm außerdem über ein Nachtsichtgerät. Seit 2008 ist er in Serienproduktion und es wurden bereits mehr als 700 derart ausgestattete Helme von HENSOLDT ausgeliefert – ein Beispiel für zahlreiche Zubehör- und Ausrüstungskomponenten, die das Unternehmen maßgeschneidert für den Eurofighter anbietet.
„Unsere Missionen sind nicht ganz so wie in Top Gun“
Nicola Winter war Deutschlands zweite Kampfflugzeug-Pilotin und eine von bisher nur drei deutschen Eurofighter-Pilotinnen bei der deutschen Luftwaffe. Heute fliegt sie Hubschrauber und arbeitet als Raumfahrt-Ingenieurin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR e.V.).
Was muss man mitbringen, um Eurofighter-Pilotin zu werden?
Eurofighter- und auch andere Kampfflugzeug-Piloten sind keine Überflieger. Wir üben nur einen sehr seltenen Beruf aus, der ein paar spezielle Anforderungen mit sich bringt. Der Eurofighter selbst ist sehr einfach zu fliegen. Die spannende Herausforderung besteht vielmehr darin, in einer Mission den Überblick über die vielen Informationen, die verschiedenen Taktiken und die Vielzahl an hochspezialisierten Systemen zu behalten.
Und was bringt der Eurofighter mit?
Der Eurofighter ist ein Mehrzweck-Kampfflugzeug für eine große Bandbreite an vielen, sehr unterschiedlichen Einsatzszenarien. Als Kampfflugzeug der Generation 4.5 bietet er bereits eine sehr gute Computerunterstützung für die Piloten. Wir fliegen ihn allein ohne Waffensystemoffizier an Bord und müssen sehr komplexe Missionen und Szenarien lösen, sowohl Luft-Luft als auch Luft-Boden. Dafür brauchen wir eine sehr gute Sensorik und Informationsverarbeitung für eine schnelle, präzise Umsetzung.
Wann wird diese Sensorik und Radartechnologie erfolgsentscheidend?
Unsere Missionen sind nicht ganz so wie in Top Gun. Wir schauen unseren Gegnern nicht erst auf 50 Meter in die Augen. Wir fangen an mit zwei-, drei-, vierhundert Kilometern Entfernung zwischen uns und dem Gegner. Darum ist das Radar unser Auge. Je besser es in der Reichweite, der Auflösung, der Darstellung aller Informationen und der Bedienung ist, desto besser bin ich als Pilotin. Einen Einsatz ohne Radar können Sie sich so vorstellen: Sie sind nachts in einem Gebäude unterwegs, müssen sich verteidigen, und plötzlich schaltet jemand das Licht aus.
Welche Entwicklungsschritte in der Radartechnologie haben Sie selbst miterlebt und wie hat sich dadurch das Zusammenspiel zwischen Mensch und Sensorik verändert?
Ich kenne noch Phantom-Piloten, die mit einem Blatt Papier und Stift im Cockpit saßen und Kreuzchen gemacht haben, wo der Gegner ist. Im Tornado hatte ich dann ein Radar mit relativ geringer Reichweite an Bord, ausschließlich darauf ausgelegt, Ziele am Boden zu identifizieren. Damit war ich in der Luft davon abhängig, dass andere mir sagen, wo meine Gegner sind. Das Radar wurde damals von einem Waffensystemoffizier bedient. Mit vielen Rädchen, mit denen er oder sie die Breite des Radius, die verschiedenen Frequenzbänder, die Entfernung und die verschiedenen Radar-Modi manuell einstellen musste. Das macht der Eurofighter alles automatisch.
Was würden Sie sich technologisch für die nächste Radar-Generation wünschen? Was könnte man noch besser machen?
Ganz klar die Benutzerfreundlichkeit. Wir verwenden nach wie vor sehr viel Zeit darauf, die Bedienung des Cockpits, der einzelnen Sensoren zu lernen. Das könnte noch intuitiver sein, denn umso besser kann ich es als Profi auch unter Stress anwenden. Die zweite Herausforderung liegt sicher in der Sensor-Fusion. Also der Zusammenführung der Informationen aus Radar, Netzwerk, Infrarotsensor und mehr in ein integriertes Bild. Für beide Punkte ist das System-Design aus einer Hand ein sinnvoller Schritt, um Lösungen noch besser aus der Perspektive der Anwender entwickeln zu können.
Für die neue Generation des Eurofighters entwickelt HENSOLDT ein elektronisch schwenkbares Radar. Welche Vorteile bietet es für die Piloten?
Es wird noch einmal deutlich besser in der Auflösung der Ziele und der Reichweite. Ich kann also früher erkennen, dass und wie viele Gegner auf mich zukommen. Die vielleicht zehn Sekunden, die ich dadurch gewinne, sind für mich extrem wertvoll, um meine eigenen Taktiken auszulegen und richtig zu reagieren. Außerdem kann ein elektronisches Radar deutlich mehr Ziele gleichzeitig erfassen und verfolgen. Das verbessert den Überblick, zumal wenn wir es mit zahlenmäßig überlegenen Gegnern zu tun haben.
Wie stehen Sie zum Einsatz von KI bei Kampfflug-Einsätzen?
Bisher muss ich als Kampfflugzeug-Pilotin hunderte von verschiedenen gegnerischen Flugzeugen, Flugabwehrsystemen, Panzern und Schiffen auswendig lernen und dann auf meinem Bildschirm erkennen und bewerten können. KI kann uns hier mit visuellen Erkennungsmustern unterstützen, vor allem wenn es um die Einhaltung unserer Einsatzregeln geht. Wir haben es hier mit einem sehr komplexen Regelwerk zu tun, das den Hauptteil unserer Arbeit als Piloten ausmacht. Beispielsweise könnte es sein, dass ein Flugzeug schneller als 420 Knoten, über 10.000 Fuß fliegen und in einem 30 Grad Winkel auf mich zukommen muss, damit ich es als gegnerisches Flugzeug mit meinem Radar erfassen darf. Dies muss ich heutzutage in der Luft selbst analysieren und angemessen abspeichern. Hier könnte KI einen sehr wertvollen Beitrag liefern, damit ich mich auf die Entscheidungsfindung konzentrieren kann.
HENSOLDT arbeitet unter anderem auch am „Future Combat Air System“ (FCAS). Die vollständige Einsatzfähigkeit ist für etwa 2040 geplant. Warum dauert die Entwicklung so lang?
Wir machen jetzt direkt den Sprung zur sechsten Generation eines Kampfflugzeuges. Das wird ein System of Systems, also ein vernetztes Kampfsystem aus bemannten und unbemannten Systemanteilen, die flexibel im Netzwerk einsetzbar sind. Dafür braucht es sehr viele technologische Quantensprünge. Und das kostet Zeit. Dazu ist es ein internationales Programm mit vielen Partnern aus unterschiedlichen Nationen. Eine echte Herkulesaufgabe.
Wie werden sich die Einsätze von Kampfflugzeugen ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren verändern?
Die grundlegenden Probleme, die wir mit Militär und Kampfflugzeugen lösen wollen, werden sich nicht ändern. Es wird wahrscheinlich immer Menschen geben, die anderen Menschen Gewalt antun oder sie von zu Hause vertreiben möchten. Je präziser wir sie daran hindern können, mit möglichst wenig Aufwand und vor allem möglichst wenig Schaden, desto erfolgreicher sind wir. Das muss unser Ziel sein. Dabei sollten wir versuchen, so gut und kompetent zu sein, dass andere gar keine Lust haben, in den Konflikt zu gehen. Dann sind wir am Ziel.